Entscheidung aus Karlsruhe

Wahlreform in Teilen verfassungswidrig: Ampel-Politiker feiern Urteil dennoch als „Erfolg“

Die Reform des Bundeswahlgesetzes ist in Teilen verfassungswidrig – und dennoch jubeln Ampel-Politiker. Es sei ein „großer Erfolg“, kommentiert etwa Renate Künast die Entscheidung. Dass die Richter in einem der Kernbestandteile einen Verfassungsbruch sahen, wird eiskalt ignoriert.

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Renate Künast zeigt sich über das – in Teilen verfassungswidrige – Urteil zur Reform des Bundeswahlgesetzes erfreut. Auch andere Grünen-Politiker stempeln die Entscheidung als „Erfolg“ ab.

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„Jetzt geht der Deutungskampf los“, kommentierte Bundesjustizminister Marco Buschmann das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das eine Reform des Bundeswahlgesetzes durch die Bundesregierung in Teilen für verfassungswidrig erklärt hatte und traf damit den Nagel auf den Kopf. Denn trotz der Entscheidung des Gerichts ließen es sich andere Politiker der Ampel-Parteien nicht nehmen, von einem „Erfolg“ zu sprechen.

Die Ampel habe mit der Reform „einen großen Verdienst“, schrieb etwa der ehemalige Abgeordnete und bekannte Grünen-Politiker Jürgen Trittin auf X. Die Reduktion der Bundestagssitze sei „nur mit der CSU in der Opposition“ möglich gewesen.

https://twitter.com/JTrittin/status/1818159419512734106

Die CSU war es neben der Linken auch, der mit der neuen Reform das parlamentarische Aus gedroht hätte. Grund dafür: Wenn eine Partei unter fünf Prozent der Stimmen erhält, aber in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat gewinnt, konnte sie bislang dennoch in das Parlament einziehen – das wollte die Ampel mit der im März 2023 beschlossenen Reform kippen.

Doch die Richter kassierten diesen Teil der Gesetzesänderung ein, die Reform sei in ihrem jetzigen Stand verfassungswidrig, hieß es aus Karlsruhe. Trittin ignorierte das und verkaufte das Urteil dennoch als Erfolg. Denn: ein anderes Ampel-Vorhaben wurde nicht für illegal erklärt, der Bundestag wird nach der Wahl 2025 auf 630 Sitze reduziert. Derzeit haben 736 Abgeordnete ein Mandat inne.

Möglich wird das durch eine Schwächung der Erststimme – also der direkten Wahl eines Kandidaten. Künftig soll die Zweitstimme, also die Parteienwahl, schwerer gewichtet werden (Apollo News berichtete). Eine demokratisch fragwürdige Entscheidung. Dennoch feiert auch Renate Künast das Gerichtsurteil: „Die Verkleinerung auf 630 wird bestätigt! Ein großer Erfolg“, schrieb die Grünen-Abgeordnete auf X.

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Dass die Karlsruher Richter in einem der entscheidenden Bestandteile des Gesetzes dabei einen Verfassungsbruch sahen, ignoriert das Grünen-Urgestein und wirft der Tagesschau im gleichen Atemzug vor, „den Hauptsatz (des Urteils, Anm. d. Red.) nicht verstanden“ zu haben. Dies hatte zuvor getitelt: „Bundesverfassungsgericht hebt neues Wahlrecht in Teilen auf“ – was der Wahrheit entspricht.

https://twitter.com/RenateKuenast/status/1818081885681078478

Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Britta Haßelmann, unterstrich den angeblichen Erfolg „Die gute Nachricht des Tages: Unsere Reform, das neue Wahlrecht, hat Bestand in Karlsruhe“, erklärte die Abgeordnete der dpa. Ähnlich sah das ihr Stellvertreter, der Grünen-Politiker Konstantin von Notz. Lediglich „eine Norm“ sei laut Bundesverfassungsgericht nicht verfassungskonform. Die übrigen Punkte der Reform hielten die Richter aber für „prima“, erklärte der gelernte Jurist.

Auch der Grünen-Abgeordnete Matthias Gastel begrüßte das Urteil, denn „Die Stärke der Parteien wird exakt anhand des Wahlergebnisses (Zweitstimmen) ermittelt“ – dass die Direktwahl eines parlamentarischen Vertreters darunter leidet, blieb auch hier unerwähnt.

https://twitter.com/MatthiasGastel/status/1818209675281568159

Erstaunlich bedeckt hielten sich währenddessen die Politiker der FDP und SPD. Buschmann reklamierte zwar auch, das Bundesverfassungsgericht habe einen Teil des Ampel-Vorhabens bestätigt, wertete das Urteil aber nicht direkt als Erfolg. Auch SPD-Politiker zeigten sich vor allem über die Verkleinerung des Bundestags erfreut – von einem Meilenstein wollten aber beispielsweise auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Hartmann, oder der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Dirk Wiese, nicht sprechen.

https://twitter.com/MarcoBuschmann/status/1818225890129522993

Von einer klaren „Klatsche für die Ampel“ sprach hingegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Für den CSU-Vorsitzenden ist das Urteil ein Erfolg. Denn dank der für die kommende Bundestagswahl vom Bundesverfassungsgericht als Interimslösung eingesetzten Regelung – die vorsieht, dass eine Partei auch ohne die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen und stattdessen mit der Grundmandatsklausel in den Bundestag gewählt werden kann – wird auch seine CSU künftig im Parlament vertreten sein.

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